Das Potsdamer Kolloquium zur Außenpolitik hat sich am 10. und 11. Oktober 2013 mit dem gegenwärtigen Zustand der Europäischen Union 20 Jahre nach Inkrafttreten der Verträge von Maastricht beschäftigt. Zu dieser Veranstaltung hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg gemeinsam mit ihren langjährigen Partnern, Verband für internationale Politik und Völkerrecht e.V. und Verlag WeltTrends sowie der Michael-Schumann-Stiftung ins Potsdamer „Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte“, eingeladen.
In ihren Einleitungsvorträgen stellten André Brie (MdL, früherer Europa-Abgeordneter) sowie Wilfried Telkämper (früherer Vizepräsident des Europäischen Parlaments) ihre Sicht auf den gegenwärtigen Zustand der Europäischen Union dar.
Brie bilanzierte unter Berufung auf Joseph Stiglitz sowie Jürgen Habermas: „Letzten Endes geht es in der Europäischen Union tatsächlich um zwei Möglichkeiten. Das weiterhin nicht ausgeschlossene Scheitern. Stiglitz hat auch das deutlich beschrieben: ‚Die auferlegte strenge Haushaltsdisziplin wird in den betroffenen Ländern nicht nur zu sozialer Not führen, sondern auch die Wirtschaft der Eurozone schwächen und in der Bevölkerung die Unterstützung für die europäische Integration untergraben.‘ Die wirkliche Alternative wird weit mehr als die Haushalts- und Kürzungspolitik der Regierungen erfordern. Sie verlangt im Gegenteil deren Überwindung und eine Veränderung hin zu einer Sozial-, Ökologie-, Menschenrechts- und Demokratie-Union. Nur so würde sich die Europäische Union weiter ein Vorbild und Beispiel für andere regionale Integrationsprozesse erweisen können, ihre eigene Bedrohung überwinden und tatsächlich ein Beitrag zu jener kühnen Vision sei, von der Habermas schrieb: ‚Die Europäische Union lässt sich als entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer politisch verfassten Weltgesellschaft begreifen.‘“
Demgegenüber Telkämper, der mit Blick auf Maastricht und den europäischen Verfassungsprozess von einer „defekten Einigung“ sprach: „Wir erleben gerade die größte kontinentale Migration in Friedenszeiten. Der gemeinsame europäische Arbeitsmarkt ist für uns kein Instrument der Lohnkonkurrenz, sondern Mittel für ein europäisches Sozialmodell. Es ist gut, Arbeits- und Sozialstandards gemeinsam festzulegen. In Europa geht es wieder um die große Frage: Wie wollen wir Leben? Und ich füge hinzu: gut leben! Die Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit beginnt mit der Fähigkeit, wieder jenseits krisenhafter Zuspitzungen ein soziales und demokratisches Europa zu denken.“
An den drei Podiumsdiskussionen während der Tagung beteiligten sich die Europa-Abgeordneten der Linken Gabriele Zimmer, Thomas Händel und Helmut Scholz, der frühere Vorsitzende der Fraktion Vereinigte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke, Francis Wurtz (Strasbourg), sowie die Wissenschaftler Iphigenia Kamtsidou (Thessaloniki), Lutz Kleinwächter (Potsdam), Hartmut Elsenhans (Leipzig), Stefanie Hürtgen (Frankfurt/Main) und Erhard Crome (Berlin).
Den zweiten Tag der Veranstaltung hatte der frühere Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Chef-Volkswirt bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung, Heiner Flassbeck, mit einem Vortrag zum Thema „Die Systemkrise des Euro“ eröffnet. Seinen Vortrag veröffentlichen wir als Videomitschnitt hier: YouTube
Erstmals hatte die RLS Brandenburg in einer Ausschreibung jüngere Interessenten unter 35 Jahren aufgefordert, sich mit einem kurzen Text zum Tagungsthema zu beteiligen. Der Gewinner der Ausschreibung, Moritz Kirchner (Potsdam), konnte seine Sichtweise vor den mehr als 80 Teilnehmern der Tagung vortragen und zur Diskussion stellen.
Als Ergebnis der Konferenz werden die Veranstalter im März 2014 im Verlag WeltTrends in einem Tagungsband die wichtigsten Ergebnisse des 17. Potsdamer Kolloquiums zur Außenpolitik präsentieren.
Den Text von Moritz Kirchner finden Sie hier