Nachricht | Wallner (Hrsg.): der die DADA. Unordnung der Geschlechter; München 2024

Zur bedeutenden Rolle von Frauen und Queerness in Dada

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Cover des Buches mit einer Fotografie auf der Elsa von Freytag-Loringhoven zu sehen ist. Copyright: Verlag.

Sowohl auf der ästhetischen als auch auf der gesellschaftlich-politischen Ebene war Dada revolutionär: durch die Infragestellung der tradierten Begriffe von Werk und Autor, durch die radikale Erneuerung der Formen und Ausdrucksmittel, die Kritik des Kanons sowie durch die Ablehnung der westlichen Rationalität und der damit verbundenen »bürgerlichen« Kultur, ja der militaristisch-patriarchalen Gesellschaft der 1910er und 20er Jahre an sich. Dada war avantgardistisch und prägte, das wurde aber erst Jahrzehnte später deutlich, die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts nachdrücklich. An Dada waren vergleichsweise sehr viele Frauen beteiligt, von Hannah Höch(1889-1978), Emmy Hennings(1885-1948) über Sophie Taeuber-Arp(1889-1943) bis hin zu Elsa von Freytag-Loringhoven(1874–1927), um nur vier bekannte Namen zu nennen. Dada propagierte neue Ideen; Ideen, die auch den Körper miteinbezogen. In Dada gab viele Paare, in denen beide in Dada involviert waren, etwa Hennings/Hugo Ball, Höch/Raoul Hausmann, Taeuber-Arp/Hans Arp. Trotzdem wurden Geschlechterrollen in Frage gestellt und gelegentlich provokant karikiert. Das Buch zeigt die große, aber noch immer weithin unterschätzte Beteiligung von Frauen an einer der subversiven Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts.

Die Ausstellungspublikation ist in zwei Teile gegliedert. In der ersten Hälfte werden in 15 Texten einzelne Aspekte, Dada-Aktivitäten an einem Ort oder Personen vorgestellt. Dabei wird die Breite der in Dada vorkommenden und oftmals gemixten Formate nochmals deutlich: Theater, Tanz, Bühne, bildende Kunst und Text/Literatur. In der zweiten Hälfte werden die in der Ausstellung gezeigten »Werke« geordnet nach fünf Hauptorten von Dada (Zürich, New York, Paris, Hannover/Berlin, Köln) dokumentiert.

Während die Männer jedoch Manifeste und viele andere Texte schrieben, die gut überlieferbar waren und deswegen bis heute greifbar sind, widmeten sich die Frauen oft den »flüchtigen« Formen, etwa Tanz. So ist heute davon wenig davon überliefert, was das Unsichtbarmachen des Beitrags von queeren und weiblichen Personen aus Dada erleichtert hat. Hinzukommt, dass auch diese Kunstgeschichte von Männern geschrieben wurde; Männer, die ab den 1950er Jahren viel Energie darauf verwandten, diese Bewegung für sich zu beanspruchen und dabei eitel und oftmals untereinander konkurrenzhaft agierten.

Diese wichtige Publikation ist - auch wenn sicher noch mehr Forschung dazu nötig ist - ein Beitrag dazu, die große Bedeutung von Frauen und queeren Personen in Dada sichtbar zu machen. Gleichzeitig ist sie damit Teil einer »anderen«, kritischen Kunstgeschichte.

Die dazugehörige Ausstellung im Arp Museum Bahnhof Rolandseckbei Remagen ist noch bis 12. Januar 2025 zu sehen.

Julia Wallner (Hrsg.): der die DADA. Unordnung der Geschlechter; Hirmer Verlag, München 2024, 288 Seiten, 200 Abbildungen, 38 Euro