Nachricht | Parteien- / Bewegungsgeschichte - Rosa-Luxemburg-Stiftung «Entweder es geht demokratisch – oder es geht nicht»

Zum Tode von Klaus Höpcke

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Klaus Höpcke (27. November 1933 - 14. Oktober 2023)
Klaus Höpcke (27. November 1933 - 14. Oktober 2023) 2014, Wikipedia

Klaus Höpcke, ein verdienstvoller Mitbegründer der Rosa-Luxemburg-Stiftung, ist am 14. Oktober 2023, nur wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag, nach langer Krankheit verstorben. Er gehörte zu denen, die 1990 in schwierigen Zeiten, den Verein «Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e. V.» in Berlin mit aus der Taufe hoben.

Klaus Höpcke studierte Journalistik an der Leipziger Karl-Marx-Universität und kam 1964 in die Kulturredaktion des «Neuen Deutschland». Er übernahm Funktionen in der FDJ und im Kulturbund der DDR und wurde 1973, nun schon in der Ära Honecker, stellvertretender Kulturminister und damit Leiter der Hauptabteilung Verlage, jener Instanz, die durch ihre Unterschrift über die Druckgenehmigung aller in der DDR herausgegebenen Bücher entschied. Das trug ihm die Bezeichnung «Oberzensor» ein. Diejenigen unter den Schriftstellern, die keine Druckgenehmigung bekamen, nahmen es in vielen Fällen persönlich. Für einige, die den Ausweg in der (für die DDR-Behörden illegalen) Buchpublikation in der BRD suchten, eskalierte schnell die Lage. 1985 ließ Klaus Höpcke den gesellschaftskritischen Band «Hinze und Kunze» von Volker Braun passieren. Dies verärgerte Teile des SED-Politbüros, allen voran den «Ideologiepapst» Kurt Hager. Dieser ließ Höpcke durch den ihm vorgesetzten Kulturminister, Hans-Joachim Hoffmann, einen strengen Verweis aussprechen. Hoffmann selbst geriet 1989 wegen eines «offenherzigen» Interviews für die westdeutsche Zeitschrift «Theater heute» faktisch in eine ähnlich missliche Situation.

1989 war für Klaus Höpcke das wohl turbulenteste politische Jahr seines Lebens. Im Frühjahr wurde die Luft für ihn sehr «dünn». Am 3. März hatte der Ministerpräsident Willi Stoph in das Sekretariat des Zentralkomitees der SED eine Beschlussvorlage eingebracht, die die geplante Entlassung Höpckes enthielt.  Vorausgegangen war eine Generalversammlung des PEN-Zentrums der DDR am 1. März 1989 in Berlin. Dort war beschlossen worden, einen Brief an das Internationale Generalsekretariat des PEN-Clubs in London zu senden, in dem sich die über 50 anwesenden PEN-Mitglieder den internationalen Bemühungen um die Freilassung des inhaftierten tschechischen Schriftstellers Vaclav Havel anschlossen. In der Beschlussvorlage des Zentralkomitees hieß es, dieses Verhalten richte sich «gegen die freundschaftlichen und gleichberechtigten Beziehungen zwischen der DDR und der ČSSR». Kulturminister Hoffmann wurde beauftragt, den Vorgang im Ministerium «auszuwerten und Schlussfolgerungen zu ziehen». Außenministeriums-Staatsekretär Herbert Krolikowski solle den ČSSR-Botschafter in der DDR über die «getroffenen Maßnahmen» unterrichten.

Das Vorhaben sickerte durch, der Präsident des Schriftstellerverbandes Hermann Kant setzte sich persönlich massiv bei Honecker für Höpcke ein. Die Information gelangte in westliche Medien wie die FAZ. Andere, fast parallel verlaufende politische Auseinandersetzungen, etwa seitens Honeckers mit Hans Modrow, müssen den SED-Generalsekretär letztendlich bewogen haben, die Wogen zu glätten.  Am 6. März 1989 zog Stoph seinen Entwurf zurück. Auf dem Papier stand die berühmte handschriftliche Formulierung «Einverstanden E. H.». Der beschlossene Protokollvermerk der Sekretariatssitzung des Zentralkomitees vom 7. März 1989 lautete nunmehr: «Genosse Willi Stoph wird beauftragt, mit Genossen Klaus Höpcke eine kritische Aussprache zu führen. Genosse Klaus Höpcke ist wegen Nichtwahrnehmung seiner Verantwortung als stellvertretender Kulturminister eine Missbilligung auszusprechen», was auch geschah.

Am 15. April 1989 druckte die DKP-Zeitung «Unsere Zeit» Auszüge eines Interviews der KPÖ-Zeitung «Volksstimme» mit Höpcke nach. Darin bezeichnete Höpcke das Verbot sowjetischer Spielfilme 1988 als «eine voreilige Aktion, die ich nicht für richtig halte». Zu seiner angeblich bevorstehenden Ablösung meinte er salomonisch: «Nun, wie lange ich im Amt bleiben werde, ist schwer zu sagen. Immerhin übe ich das Amt, in dem ich für Verlagswesen, Autoren, Buchhandel, Bibliotheken, kurz für alles, was mit dem Buch zusammenhängt, verantwortlich bin, bereits seit 1973 aus. Ich hoffe, dass ich noch einige Zeit an unserem Konzept, die Weite und Vielfalt der Literatur immer mehr zu erweitern, beitragen kann.»

Im Frühherbst 1989, nun inmitten der sich immer weiter zuspitzenden Krisensituation in der DDR mit Massenprotesten und Ausreisewellen, durchbrach Klaus Höpcke als einer der ersten Spitzenpolitiker die Sprachlosigkeit. Am 21. September 1989, zehn Tage nach der Öffnung der ungarischen Grenze zu Österreich, veröffentlichte die «Junge Welt» unter dem Titel «Reden über das eigene Land» seinen Vortrag vor Studenten der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Mit diesem Titel bezog sich der Autor direkt auf einen im Westen vielbeachteten Text, den er im Dezember 1988 in München vorgetragen hatte. Darin hieß es: «Natürlich haben wir … darüber nachzudenken, welche Umstände des Lebens bei uns in diesem oder jenem überhaupt den Wunsch entstehen lassen, das Land zu verlassen beziehungsweise der Verlockung zu unterliegen, wenn in leuchtenden Farben betörende Lebensmöglichkeiten anderswo ausgemalt werden.» Als Anfang Oktober erstmals Prager Botschaftsflüchtlinge in verriegelten Zügen über das DDR-Territorium in die Bundesrepublik fuhren, schleuderte ihnen Noch-SED-Generalsekretär Honecker in einem von ihm redigierten ND-Leitartikel – völlig konträr zu Höpcke – den Satz hinterher: «Man sollte ihnen keine Träne nachweinen.» Höpcke dagegen hatte am 21. September formuliert: «Überall bedürfen wir des Gesprächs über Tatsachen und deren Deutung, bedürfen wir des Offenseins für Vorschläge zur Lösung der aufgeworfenen Probleme.» Der Druck von außen und nun auch von innen auf die SED-Führung nahm immer mehr zu.

Honecker wurde am 18. Oktober 1989 als Partei- und Staatschef abgelöst, sein Nachfolger Egon Krenz amtierte als SED-Generalsekretär nur bis zum 3. Dezember 1989. Am 8. November 1989 jedoch, dem ersten Tag jenes berühmten 10. Plenums des Zentralkomitees der SED, welches am darauffolgenden Tag den Mauerfall initiieren sollte (Schabowski: «Sofort, unverzüglich») wurde Klaus Höpcke als neuer Leiter der Kulturkommission selbst Politbüromitglied. So saß er in dem Saal, in dem das neue Reisegesetz bestätigt wurde, welches das Ende der DDR unmittelbar einleitete.

Am 3. Dezember 1989 traten neben Krenz auch das Politbüro (mit Klaus Höpcke) und das Zentralkomitee zurück. In diesem Vakuum konstituierte sich ein «Arbeitsausschuss» zur Vorbereitung eines außerordentlichen Parteitages, der bis zu dessen Zusammentreten nun das höchste Führungsorgan der SED war. Klaus Höpcke gehörte neben Gysi, Bisky, Berghofer, Vietze, Klein, Kroker u.a. diesem 25-köpfigen Gremium an Der zweigeteilte Sonderparteitag im Dezember 1989 markierte das Ende der SED und den Beginn der Entwicklung der PDS. Klaus Höpcke wurde mit 94,4 Prozent der Delegiertenstimmen Mitglied des neugewählten 101-köpfigen Vorstandes, dem nur noch ganz wenige «Altfunktionäre» angehörten.

Eine neue Zeit begann. Klaus Höpcke wurde für die PDS am 18. März 1990 als Abgeordneter in die DDR-Volkskammer gewählt, er leitete die Grundsatzkommission des Parteivorstandes, er wirkte als Mitglied des Thüringer Landtages, dort zunächst auch als Fraktionsvorsitzender. Zu seinem 70. Geburtstag erschien ein Band, dessen Titel sein damaliges politisches Credo zum Ausdruck brachte: «Entweder es geht demokratisch – oder es geht nicht».

Der Rosa-Luxemburg-Stiftung blieb er eng verbunden, als Mitglied und bis zuletzt als Vorstandsmitglied der Erik-Neutsch-Stiftung, mit Beiträgen in den RLS-Mitgliederversammlungen. Oft wirkte er an der Seite von Hans Modrow, dem er seit 1989/90 politisch und persönlich eng verbunden war. Beide haben 2023 ihr Lebenswerk vollendet.