Und da der Festivaltrailer zauberhaft wie immer ist, hier als allererstes der Hinweis dazu:
"Für die einen ist er „das Wunderkind aus dem Plattenbau“ (B.Z. – August 2018), für die anderen „der Mann, der als Kind Fantasie-Bonbons aß“ (Berliner Zeitung - Februar 2018) – für das FilmFestival Cottbus ist er ein alter Bekannter: Axel Ranisch. Schon vor zehn Jahren, drehten er und Monika Anna Wojtyllo gemeinsam den Festivaltrailer des damals 18. FFC, für die aktuelle und 28. Ausgabe hat sich das Duo dem Thema noch einmal angenommen.Zwei TATORTe, eine Roman-Veröffentlichung und einige Kino-Erfolge weiter, ist Ranisch zur festen Größe des Unterhaltungsbetriebs aufgestiegen, der als kreativer Tausendsassa gilt und dessen Reservoir an Talenten unerschöpflich scheint – vielleicht mal vom Sport abgesehen, was nur den überrascht, der weiß, dass beide Eltern Leistungssportler waren.
Die Lubina, der Hauptpreis des FilmFestival Cottbus, war nie so liebreizend, was die wörtliche Übersetzung von Lubina aus dem Sorbischen ist, wie in der 2018er-Trailer-Interpretation durch Regisseur Ranisch und seine Hauptdarstellerin Monika Anna Wojtyllo, die der Dreh nun wieder zusammenführte."
Die Presseinformation des FFC gibt einen guten Überblick über den diesjährigen Festivaljahrgang:
Verfeindete Nachbarn und verratene Freunde
Das Filmprogramm des 28. FilmFestival Cottbus (FFC) lässt scheinbare Widersprüche aufeinanderprallen. Filme der FFC-Sektionen CLOSE UP UA, RUSSKIY DEN, SPOTLIGHT: GEORGIA und FREUND ALS FEIND beweisen, dass klassische Freund-Feind-Bilder bröckeln. „Im umfangreichen Programm des FilmFestival Cottbus zeigen wir die vielen Themen, die Osteuropa beschäftigen, setzen ganz unterschiedliche inhaltliche Akzente und geben unserem Publikum die Möglichkeit, sich tiefer mit Regionen, Ländern oder Themen auseinanderzusetzen“, sagt Bernd Buder, Programmdirektor des FilmFestival Cottbus.
Die Filmreihe CLOSE UP UA, die sich dem gegenwärtigen ukrainischen Kino widmet, beleuchtet den Prozess der schwierigen Identitätsfindung eines Landes, das sich einerseits in einem Krieg, andererseits auf dem Weg nach Europa befindet. Zwischen Nation Building und nationalistischen Sichtweisen diskutiert das gegenwärtige ukrainische Kino ganz unterschiedliche Blickwinkel auf Geschichte und Gegenwart eines Landes im Umbruch.
Der skandalöse Fall Oleg Sentsov steht sinnbildlich für die Probleme der Region: Der ukrainische Regisseur wurde 2014 von der russischen Justiz zu 20 Jahren Lagerhaft verurteilt. Ukrainische Filmschaffende, aber auch Kollegen aus Deutschland sind noch immer schockiert und fordern seine Freilassung. Anna Palenchuk, die Sentsovs Theaterstück NUMBERS produziert, ist in Cottbus Teil der Internationalen Jury des WETTBEWERB SPIELFILM.
„Ukrainische Filmemacher reflektieren die Situation in ihrem Land treffsicher mit bitter-süßem Understatement, in das sich oft eine verhalten ironische Note und jede Menge Trauerarbeit mischt. Denn der Osten des Landes steht im Zeichen des Krieges im Donbass. Fast jeder Ukrainer ist davon betroffen“, erläutert Bernd Buder. „Als eines der wenigen Filmfestivals zeigen wir sowohl in den Filmreihen RUSSKIY DEN und CLOSE UP UA als auch im SPECTRUM und SPECIALS Produktionen, die sich mit dem Krieg im Donbass beschäftigen“, erklärt der Programmdirektor. „Filme aus den beiden Ländern teilen dabei eine ähnlich kritische Haltung gegenüber dem Krieg.“
Innerhalb der Filmreihe RUSSKIY DEN (Russischer Tag), die eine umfängliche wie vielfältige Darstellung des aktuellen russischen Kinos beinhaltet, läuft MIRA von Denis Shabaev. Der Regisseur vermischt Dokumentarisches mit Fiktivem und erzählt die Geschichte von Mira Rojach, der 2014 als Freiwilliger bei den pro-russischen Rebellen im Donbass kämpfte. MIRA beleuchtet neben MŪRIS | UNRUHIGE GRENZEN (LT, CZ 2017, SPECIALS) und ZHIZN VECHNAYA | EWIGES LEBEN (RU 2017, SPECTRUM) die Absurdität des Donbass-Konflikts aus russischem Blickwinkel.
„Die russische Filmbranche ist von politischen Konflikten – den Problemfeldern Ukraine, der Krimfrage, Antiterrorkampf in Syrien und dem europäischen Wirtschaftsembargo – weiterhin betroffen“, erklärt Marcel Maïga, Kurator von RUSSKIY DEN. „Ob der mangelnden Kooperation mit westlichen Partnern ist die Filmwirtschaft auf sich gestellt. Mit seinen Möglichkeiten der Förderung bzw. Nicht-Förderung von bestimmten unliebsamen Filmprojekten und deren Verleih hat der Staat ein adäquates Mittel der Einflussnahme. Während historische, die Sowjetzeit glorifizierende Filme in Russland flächendeckend Kassenschlager sind, haben die auf internationalen Filmfestivals gefeierten kritischeren Produktionen im Verleih nur ein Schattendasein und wenige Zuschauer.“
Anders beim FFC, wo der Festivalhit LETO kurz vor seinem deutschen Kinostart zu sehen ist. Der gegenwärtig in Russland wegen Veruntreuung angeklagte Regisseur Kirill Serebrennikov setzt mit dem Film der Band KINO ein filmisches Denkmal. Mit dem jakutischen Beitrag TOYON KYYL | KÖNIGSADLER erkundet das FilmFestival Cottbus – fernab der Hauptstadt Moskau und der aktuellen Krisenherde – die weitgehend unbekannte Region Jakutien und deren Geschichte.
Die Reihe CLOSE UP UA wird unterstützt von der Bundeszentrale für politische Bildung und RUSSKIY DEN von der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Mit dem SPOTLIGHT: GEORGIA setzt das FFC ein Land in Szene, das immer wieder Stammgast auf internationalen Filmfestivals ist. Das Erfolgsrezept: Man setzt seit einigen Jahren auf Koproduktionen mit dem westlichen Ausland. Die 1990er-Jahre, in denen wegen der blutigen Konflikte um Südossetien und Abchasien kaum Filme produziert wurden und man von einer verlorenen Generation an Filmemachern sprechen muss, sind überwunden. SPOTLIGHT: GEORGIA wirft einen Blick auf diese wechselvolle Geschichte: von Georgi Schengelaias früher Literaturverfilmung ALAVERDOBA über Gio Mgeladzes ARA, MEGOBARO | NEIN, MEIN FREUND, der 1993 die tragischen Spannungen in seinem Land pointiert auf den Punkt bringt, bis zu frühen Kurzfilmen von internationalen Regie-Stars wie George Ovashvili und Nana Ekvtimishvili, hin zu aufstrebenden Regisseuren wie Tornike Gogrichiani, der in seinem ANDRO das Leben seines Titelhelden durch einen Anhalter aus den Fugen geraten lässt. Georgien-Kenner sollten MEZOBLEBI | NACHBARN von Gigisha Abashidze ins Auge fassen. Der Regisseur erzählt über den Mikrokosmos verschiedener Familien, deren heruntergekommene Häuser sich einen Hof teilen. Das für die Renovierung fehlende Geld hat ein Investor zu Genüge, er will ebendort ein Bürohaus errichten. Zustimmen müssen alle aus der Schicksalsgemeinschaft. Einige wittern die große Chance, andere denken anders.
Die Reihe SPOTLIGHT: GEORGIA wird gefördert vom Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg.
Immer wieder befeuern autoritäre Staaten und autoritäre Populisten Verrat oder auch seine Spielart, das Denunziantentum. Misstrauen wird zum ständigen Begleiter, Freunde werden zu Feinden, aus einem Miteinander wird ein Gegeneinander. In der Sektion FREUND ALS FEIND nimmt das FFC eine Auswahl von Filmen in sein Programm, die nicht verurteilen, sondern erkunden wollen, die sich Empathie erlauben und der Komplexität von Charakter, Psychologie und politischer Überzeugung der „Täter“ Raum geben.
„Nicht die Anklage steht dabei im Vordergrund, sondern der Wunsch tiefer einzudringen in ein Phänomen, das schwer zu fassen ist“, erklärt Karin Fritzsche, Kuratorin der Filmreihe. „Die Filme geben Einblicke in Persönlichkeitsstrukturen und Argumentationen, Manipulationsweisen und Wirkungszusammenhänge, zu denen der Zuschauer sonst vermutlich keinen Zugang hätte.“
In VATERLANDSVERRÄTER von Annekatrin Hendel (DE 2011) begegnet das Publikum Paul Gratzik. Er war Arbeiter, Liebling der Frauen und in den 1970ern gefeierter DDR-Literat. In den 1960ern hatte er sich aus Überzeugung von der Stasi anwerben lassen. Anfang der 1980er-Jahre stieg er aus, enttarnte sich selbst und fiel ins Bodenlose. Ein kritisches, verstörendes, liebevolles Porträt.
Hendels Film ANDERSON (DE 2014) spürt wiederum Sascha Anderson, dem wohl prominentesten und „schillerndsten“ IM der DDR, und dessen zerrissener Persönlichkeit nach. Die Regisseurin geht auf die Suche, sammelt Eindrücke, Fakten, Selbstzeugnisse ihrer Protagonisten, versucht, hinter ihre Panzerung zu schauen. Mit Filmen wie unter anderem DRÁGA BESÚGOTT BARÁTAIM | LIEBE BESPITZELTE FREUNDE (HU 2012) von Sára Cserhalmi geht die Filmreihe FREUND ALS FEIND über die rein deutsche Perspektive hinaus: Der 60-jährige Ándor – Literat und vor 1989 im kulturellen und ökologischen Untergrund Ungarns aktiv – erfährt aus den Akten, dass sein Freund János ihn jahrelang denunziert hat. Hin- und her gerissen zwischen Wut, Verletzung und dem Wunsch nach Revanche, sucht Ándor nach einer Lösung, diesen Vertrauensbruch aufzuarbeiten.
In Zeiten, in denen Parteien Kinder dazu aufrufen, ihre Lehrer geschützt durch die Anonymität des Internets an den Pranger zu stellen, könnten die Bezüge der Reihe zur Gegenwart aktueller nicht sein.
Die Reihe FREUND ALS FEIND wird gefördert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.