Dokumentation Zuerst das Leben – Willy Ronis. Die DDR der 1960er Jahre

Ausstellungsbesuch mit Führung im BLMK - Dieselkraftwerk Cottbus

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Für den 16. August 2022 hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg mit der Frauengruppe Lisa zu einem Ausstellungsbesuch mit Führung ins Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst: Dieselkraftwerk nach Cottbus/Chóśebuz eingeladen.

Ein Bericht von Gerd-Rüdiger Hoffmann

Zuerst das Leben – Willy Ronis, so heißt eine der aktuellen Ausstellungen im dkw, die die DDR der 1960er Jahre in den Augen eines französischen Fotografen widerspiegelt.

"Ich lege Wert darauf, in meinen Fotografien den Charakter der Menschen festzuhalten, ihre Gestik und Haltung zu erfassen, im Interesse des Lebens." So beschrieb der französische Fotograf Willy Ronis (1910 – 2009) sein Schaffen. In den 1960er Jahren bereiste er drei Mal die DDR, unter anderem im Rahmen einer organisierten Rundreise oder 1967 mit Auftrag der Gesellschaft Échanges franco-allemands, die DDR im Rahmen einer Bildreportage in all ihren gesellschaftlichen Aspekten zu dokumentieren.

Die Idee, die in dieser Zeit entstandenen Arbeiten von Willy Ronis in Deutschland zu zeigen, entstand tatsächlich im Umfeld der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Gestalt von Dr. Detlef Nakath, Cathleen Bürgelt und Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann. Die Anregung dazu kam von der deutsch-französischen Kunstwissenschaftlerin Nathalie Neumann und dem französischen Historiker Prof. Jean Mortier.

Diese Idee in die Tat umsetzen, das stand schnell fest, konnte jedoch nur die äußerst engagierte Direktorin des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst, Ulrike Kremeier. Nach der Premiere der Ausstellung „Willy Ronis en RDA – la vie avant tout“ im Frühjahr 2021 in Versaille schaffte Ulrike Kremeier es trotz aller Probleme, dieses ambitionierte Vorhaben innerhalb kurzer Zeit zu ermöglichen und zu finanzieren.

Und so können noch bis zum 11. September 2022 die rund 120 Fotos von Willy Ronis betrachtet werden, die er während seiner DDR-Reisen in den 1960er Jahren schuf - in Cottbus/Chóśebuz so kuratiert, dass sie zum Teil auch in Dialog mit Alltagsfotografien von Willy Ronis aus Frankreich treten, ergänzt durch Archivmaterialien und Tagebuchaufzeichnungen.

Die Fotografien werden zum ersten Mal in Deutschland gezeigt. In Cottbus sind sie genau am richtigen Ort. Denn nirgendwo sonst existiert eine so umfangreiche fotografische Museumssammlung mit Werken aus der DDR. Die bereits in der DDR begründeten inhaltlichen und ästhetischen Prinzipien der Autorenfotografie korrespondieren sehr deutlich mit dem Herangehen von Willy Ronis. Er gehört mit Henri Cartier-Bresson (1908 – 2004) und Robert Doisneau (1912 – 1994) zu den wichtigsten Vertretern der „photographie humaniste“, der „humanistischen Fotografie“. Denn bei ihm steht der Mensch im Mittelpunkt, was in berührender Weise in Cottbus deutlich zu erfahren ist.

Am 16. August 2022 hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg mit der Senftenberger Frauengruppe Lisa einen Ausstellungsbesuch organisiert. Die etwa 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren begeistert. Hier einige Meinungen nach dem Besuch:

  • Karin Weitze: Der Name Willy Ronis, zugegeben, sagte mir erstmal nichts. Wenn jedoch die Senftenberger Akteure der Rosa-Luxemburg-Stiftung einladen, dann ist zu erwarten, dass ich Neues und Interessantes erfahre. Und so waren die Ausstellung und die begeisternden Ausführungen der Museumsdirektorin mehr als ein déjà vu. Die alltäglichen mit künstlerischer Meisterschaft eingefangenen „Menschen-Bilder“ im wahrsten Sinne des Wortes haben mich sehr bewegt. Dazu auch die Idee, DDR-Alltag und Alltag im „Westen“ in einem der Räume nebeneinander zu stellen. Für die gezeigten Kontexte in der Ausstellung - Konzepte, Kontaktabzüge, Notizen, Dokumente der Verbindungen zu Künstlern und Gremien - braucht man Muße. Die sollte man sich unbedingt leisten. Danke an die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ich weiß, sie musste nur einen Anstoß geben und Frau Kremeier, die Direktorin, klemmte sich energisch dahinter, die Leihgabe aus Paris zu ermöglichen. Entsprechend begeisternd war auch ihre Führung. Ich bin gleich übernächsten Tag noch einmal hin ... Ich habe erneut und besser begriffen, mit welcher Hingabe Ulrike Kremeier die außerordentliche Sammlung von Kunst der DDR, darunter exklusiv die Foto-Kunst, hütet und vermittelt. In Cottbus ist nicht alles schlecht!
  • Marlies Birke: Vielen Dank an die Rosa-Luxemburg-Stiftung für die Organisation dieser tollen Führung durch diese beeindruckende Ausstellung. Am berührendsten war für mich, wie Fotos aus der DDR und aus Frankreich nebeneinander gezeigt wurden. Willy Ronis hat den Alltag in der DDR in großer Detailtreue eingefangen. Als Ossi fühlte ich mich sofort in meine Kindheit und Jugend versetzt. Diese Bilder, die unser Leben widerspiegeln, sollten sich viele Menschen ansehen. Die Erläuterungen zu den Bildern rundeten den Gesamteindruck noch ab.
  • Simão Mkaima: Die von der Luxemburgstiftung organisierte Ausstellungsführung mit Frau Kremeier hat mir großen Spaß bereitet. Sehr schöne und aus heutiger Sicht teilweise auch kuriose Bilder. Ich habe mich auch darüber gefreut, wie gerecht und klug die Direktorin über die DDR gesprochen hat. Das war schließlich für mich das Land, das uns in Moçambique im antikolonialen Kampf unterstützt hat
  • Petra Kanter: Ich war überrascht, wie gut die Gegenüberstellung des Alltags in der DDR und in Frankreich gelungen ist. Auf den ersten Blick konnte ich nur selten sofort sagen, ob es sich um ein Motiv in Frankreich oder in der DDR handelt. Schade, dass nicht mehr ausländischen Fotografen solche Reisen erlaubt wurden.
  • Brigitte Rex: Die Ausstellung tat mir gut. Sehr schöne Fotos, die bei mir Erinnerungen aus der Jugend in einem anderen Land wachriefen. Es war doch mein Land, trotz all der Mängel und Ärgernisse. Willy Ronis hat es wirklich geschafft, ein sehr gerechtes Bild der DDR der 1960er Jahre zu zeigen. Und nebenbei habe ich gelernt, dass Fotografieren eine sehr anspruchsvolle Form der Kunst sein kann. Ich hoffe, die Cottbuser wissen, welchen Schatz sie mit dem Kunstmuseum und der Direktorin Ulrike Kremeier in ihrer Stadt haben.

Wer am 16. August nicht dabei sein konnte, hat demnächst die Möglichkeit, Ulrike Kremeier und ihre kunstwissenschaftliche und kulturpolitische Position in Senftenberg während eines Gespräches mit Gerd-Rüdiger Hoffmann im Rahmen der Philosophie-Reihe der Rosa-Luxemburg-Stiftung näher kennenzulernen. Der genaue Termin wird rechtzeitig hier bekanntgegeben. Wer eine Einladung erhalten möchte, kann sich per Mail melden: senftenberg@bbg-rls.de

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