Dokumentation Quo vadis Krankenhaus Prenzlau?

Zukunft jenseits der Privatisierung

Information

Veranstaltungsort

Dominikanerkloster Prenzlau
Uckerwiek 813
17291 Prenzlau

Zeit

22.02.2011

Veranstalter

Axel Krumrey,

Mit

Harald Kothe-Zimmermann, Geschäftsführer der Gesellschaft für Leben und Gesundheit (GLG); Dr. Wolfgang Erlebach, Referent für Gesundheitspolitik in der Landtagsfraktion DIE LINKE. Brandenburg; Gerhard Rohne, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. Kreistag Uckermark

Themenbereiche

Ungleichheit / Soziale Kämpfe, Kapitalismusanalyse, Stadt / Kommune / Region, Commons / Soziale Infrastruktur

Blick nach vorn gewagt

In Veranstaltung zur Zukunft des Krankenhauses Prenzlau wird hart gestritten

Bericht von Axel Krumrey, RLS

Gleich in doppelter Hinsicht handelte es sich bei der Veranstaltung „Quo vadis Kreiskrankenhaus – Perspektiven jenseits der Privatisierung“ um eine Premiere. Das Projekt, das am Abend des 22. Februar in der uckermärkischen Kreisstadt Prenzlau realisiert wurde, war nämlich einerseits eine Kooperationsveranstaltung zwischen kommunalpolitischem forum Land Brandenburg e.V., Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg und den Linksfraktionen aus Stadt und Kreis – eine so bis dahin noch nie dagewesene Konstellation. Zum anderen wagte man sich an die Verbindung von grundlegenden gesellschaftlichen Fragen, wie der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, mit hoch brisanten aktuell-politischen Problemstellungen. Auch das war Neuland in Prenzlau. Ein Blick in den mit etwa 60 Gästen gut gefüllten Kleinkunstsaal des Dominikanerklosters ließ sodann auch eine kontroverse Diskussion erwarten. Den Hintergrund der Veranstaltung bildete der Umstand, dass der kommunale Krankenhauskonzern Gesellschaft für Leben und Gesundheit (GLG) Ende des letzten Jahres seine Klage gegen den Krankenhausplan des Landes Brandenburg von 2008 zurückzog. Das bedeutete das Aus für die Geburtenstation in der Kreisstadt. Da die Aktivitäten der Geschäftsführung der GLG von einem Teil der Bevölkerung seit längerer Zeit kritisch beobachtet werden, sah man nun den richtigen Augenblick gekommen, um gegen das kommunale Unternehmen mobil zu machen. Es wurde eine Unterschriftenaktion initiiert, die Stadt, Kreis und GLG dazu auffordern soll, einen Trägerwechsel des Krankenhauses zu ermöglichen. Konkret wird suggeriert, dass ein privater Investor die Probleme am Standort lösen könne.
Mit harten Bandagen kämpften die Unterschriftenaktionäre in der lokalen und regionalen Presse gegen die GLG. Das wiederum rief die Lokalpolitik auf den Plan. Acht Fraktionen aus Kreistag und Stadtverordnetenversammlung stellten sich demonstrativ an die Seite des kommunalen Krankenhausträgers und versuchten damit, die öffentliche Debatte zu versachlichen. Die Veranstaltung am 22. Februar sollte ihren Beitrag dazu leisten. Im Podium nahmen mit Gerhard Rohne ein Lokalpolitiker, mit Harald Kothe-Zimmermann der Geschäftsführer der GLG und mit Dr. Wolfgang Erlebach der Referent für Gesundheitspolitik der Linksfraktion im Landtag Brandenburg Platz. Moderiert wurde die Veranstaltung von Margitta Mächtig, ihres Zeichens Landtagsabgeordnete, Vorsitzende des kommunalpolitischen forums Land Brandenburg e.V. und gleichzeitig auch aktive Kommunalpolitikerin. Gemeinsam sollten sie unterschiedliche Blickwinkel auf die Entscheidung zur Schließung der Geburtenstation in Prenzlau eröffnen, gleichzeitig aber die nicht absehbaren Folgen einer Privatisierung verdeutlichen.

Vor allem Kothe-Zimmermann verband mit seinem Part die Möglichkeit, Entwicklungsperspektiven für das Kreiskrankenhaus im kommunalen Verbund aufzuzeigen. Mit der durchaus zu bedauernden Schließung der Geburtenstation verbinde sich die Chance, das Krankenhaus finanziell zu sanieren und somit den Grundstein für eine weitere Qualitätssteigerung in den nächsten Jahren zu legen. Er betonte, dass niemand das Krankenhaus schließen wolle. Allerdings müsse man den rechtlichen Rahmen beachten und die medizinische Einrichtung den Entwicklungen vor Ort anpassen. Man sähe sich nun einmal mit einer alternden Gesellschaft konfrontiert. Dies könne man aber positiv nutzen. Erlebach nahm den Faden auf und verdeutlichte, dass der Landesbettenplan keine politische Entscheidung des Landtages sei, sondern in einer Fachabteilung des Landesgesundheitsministeriums erstellt werde. Hier werden die Daten der medizinischen Bedarfe zusammengeführt und abgewogen. Offensichtlich habe das Ministerium seinerzeit eine Überversorgung im Bereich der Geburtenstationen im Landkreis erkannt. Zu erwarten war nämlich ein starker Rückgang der Geburten. Prenzlau sei allerdings infrastrukturell gut angebunden, was die Wege für werdende Mütter zu anderen Geburtskliniken kurz halte. Dies habe wohl den Ausschlag für die letztlich getroffene Entscheidung gegeben. 

Unverständnis, Angst vor einem weiteren Niedergang des Krankenhauses und insbesondere ein allgemeines Gefühl des abgehängt Werdens wurden anschließend in den Wortmeldungen besorgter Bürger/innen deutlich. Sie stellten die Schließung der Geburtenstation in engen Zusammenhang mit der Abwanderung von Fachkräften auch aus dem Krankenhaus und daraus folgender mangelnder ärztlicher Versorgung am Standort. Verantwortlich sei dafür allein die GLG. Immer wieder wurde auf die frühere Bedeutung des Kreiskrankenhauses und die Ausstrahlungskraft weit über die Region hinaus verwiesen. Pensionierte Ärzte, die lange Zeit in Prenzlau wirkten, brachten ihr Bedauern zu den aktuellen Geschehnissen zum Ausdruck und forderten von Kothe-Zimmermann, den Krankenhausstandort nicht nur zu halten, sondern ihn auszubauen und Prenzlau damit zu einem Rückgewinn an Bedeutung zu verhelfen. Zahlen und ökonomische Trends wollten sie nicht gelten lassen. Das brachte Landrat Dietmar Schulze (SPD), der ebenso wie Bürgermeister Henrik Sommer (parteilos), dessen Erster Beigeordneter Marek Wöller-Beetz (CDU), Sabine Stüber (MdB, DIE LINKE) und weitere namhafte lokale Mandatsträger und Amtsinhaber der Einladung folgte, dazu, aufzuzeigen, warum eine Privatisierung des Kreiskrankenhauses nicht infrage käme. Es gebe schlichtweg niemanden, der das Krankenhaus verkaufen werde, so seine Intention. Davon abgesehen handele es sich bei der GLG mit etwa 2.400 Beschäftigten um den größten Arbeitgeber der Region. Erst kürzlich sei das Unternehmen zudem von der Deutschen Bank auf seine Kreditwürdigkeit hin überprüft worden und habe dabei namhafte private Krankenhausbetreiber wie Helios hinter sich gelassen. Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN.Prenzlau, Jörg Dittberner, ergänzte, dass der einzige, immer wieder ins Spiel gebrachte potenzielle Interessent am Krankenhaus, eben jener Helios-Konzern, ausschließlich Marktinteressen verfolge. Es sei schlichtweg unsinnig, davon auszugehen, dass sich die Situation am Standort Prenzlau bessere, wenn Konkurrenzdenken und Gewinnstreben das Handeln des Eigentümers dominieren. In die Diskussion brachte sich auch Andreas Meyer, CDU-Kreistagsabgeordneter und Mitinitiator der Unterschriftenaktion, ein. Er hob hervor, dass die besprochene Thematik überaus emotional sei und der Bürgerwille nun einmal eine Geburtenstation in Prenzlau verlange. Mehr als 5.000 Unterschriften, die bislang gesammelt wurden, brächten das zum Ausdruck. Handwerkliche Fehler bei der Unterschriftensammlung gestand er ein, das Grundanliegen verteidigte er allerdings. Schließlich sei aus seiner Sicht die GLG mit dem Kreiskrankenhaus überfordert, demzufolge müsse man nach anderen Lösungen suchen. Das schließe private Betreiber ausdrücklich ein.

Harald Kothe-Zimmermann wies diese Aussage mit Nachdruck zurück und hob die Investitionen in den Standort hervor. Der Erfolg zeichne sich in steigenden Patientenzahlen ab. Man dürfe die Entwicklung jetzt aber nicht konterkarieren, indem man durch Negativkampagnen den Ruf des Krankenhauses Prenzlau weiter schädige. Die schwarz-weiß-Malerei kritisierte ein weiterer Diskutant. Auch wenn er die Unterschriftenaktion als gelebte Demokratie sehr schätze, werde so getan, als seien die Probleme in Prenzlau erst aufgetreten, nachdem die GLG den Standort 2005 übernommen hat. Aber bereits zuvor habe das Krankenhaus tief rote Zahlen geschrieben. In der Bilanz von 2003 werde ein Minus von etwa 400 Tausend Euro ausgewiesen. Die Vorzeichen für die GLG waren also alles andere als günstig. Vielmehr müssten sich die damaligen Verantwortungsträger im Kreis fragen lassen, warum notwendige Investitionen unterblieben sind. Schließlich sei bereits damals verpasst worden, das Krankenhaus zukunftssicher zu machen. Einige derjenigen, die das zu verantworten haben, riefen heute nach Privatisierung. Das sei schizophren.

Dr. Helaman Krause, früherer Finanzdezernent des Landkreises, beschrieb aus seiner Sicht, wie die GLG den Standort Prenzlau herunterwirtschafte. Viele bekannte medizinische Experten hätten das Haus verlassen, nachdem die GLG es übernahm. Diese Lücken seien bis heute nicht geschlossen. Ein privater Betreiber habe da andere Möglichkeiten. Zudem – so seine These – bewiesen die umliegenden Krankenhäuser, allesamt in privater Trägerschaft, dass sie es besser könnten als die GLG. Er brachte auch zum Ausdruck, dass private Träger beim Gesundheitsministerium eine bessere Lobby hätten und folglich die Geburtenstation wieder eröffnen könnten. Nicht zu Unrecht attestierte ihm die Moderatorin des Abends einen Hang zur Demagogie. Denn faktisch untersetzt waren seine Äußerungen keineswegs. Auch in den umliegenden Krankenhäusern habe es große Einschnitte gegeben. In der Nachbarstadt Pasewalk blieb demnach über Jahre die Kinderstation geschlossen. In Templin werde demnächst – nach Landeskrankenhausplan – die Geriatrie dicht gemacht und auch Schwedt profitiere nicht etwa nur von der eigenen Leistungsstärke, sondern vornehmlich von Fachpersonal und Selbstzahlern aus Polen, die die Bilanzen bessern.

Wenngleich die Diskussion hoch emotional geführt und auch nach dem offiziellen Ende noch eine Reihe von Gesprächen fortgesetzt wurden, ist es mit der Veranstaltung erstmals seit langer Zeit gelungen, die unterschiedlichen Positionen in direkt auszutauschen. Nicht in jedem Fall wird Verständnis für die Situation erzeugt worden sein. Aber dem Informationsdefizit, das Platz für Spekulationen und selbst zusammengereimte Wahrheiten ließ und vor allem den undurchsichtigen Interessenlagen der Privatisierungsbefürworter Angriffsfläche bot, konnte begegnet werden. Erstmals stand einer Behauptung der Privatisierungsbefürworter ein Argument der Befürworter einer kommunalen Trägerschaft für das Krankenhaus gegenüber. Die Quintessenz der Veranstaltung war demnach: Das Kreiskrankenhaus Prenzlau wird weiterhin existieren, und zwar im kommunalen Verbund der Gesellschaft für Leben und Gesundheit. Dafür bürgt auch die kommunale Kontrolle über den Gesundheitskonzern GLG. 


Axel Krumrey, Rosa-Luxemburg-Stiftung