An der diesjährigen Wandelwoche Berlin Brandenburg beteiligte sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg in Kooperation mit Das Kooperativ e.V. mit einem Workshop über die Möglichkeiten solidarischer Entwicklung im ländlichen Raum nach dem Vorbild Riace. 25 Teilnehmende lauschten in Kyritz den Reiseberichten aus Riace und diskutierten mit den Referierenden Elisabeth Voß (Betriebswirtin und Publizistin), Bruno Watara (RefugeeActivist, aktiv im „Bündnis gegen Lager“) und Frank Wesemann (Landwirt Solidarische Landwirtschaft in der Prignitz) gemeinsame Perspektiven für ein Leben im ländlichen Raum.
Im sogenannten „Modell Riace“ und umliegenden Dörfern in Kalabrien/Süditalien wird versucht, durch die Aufnahme von Flüchtlingen die verlassenen Bergdörfer zu beleben. Dies gelingt, so lange der Staat für die Flüchtlinge zahlt. Sie bekommen eine Wohnung und ein wenig Taschengeld, den größten Teil davon in Gutscheinen. Nicht aus rassistischen Motiven, sondern weil das staatliche Geld oft monatelang auf sich warten lässt. Mit den Gutscheinen ist zumindest die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. In verschiedenen Projekten arbeiten Flüchtlinge mit Einheimischen zusammen, stellen kunsthandwerkliche Produkte oder regionale Lebensmittel für TouristInnen her. Die Finanzierung endet, wenn die Asylanträge bearbeitet sind. Ebenso wie viele Einheimische machen sich die Flüchtlinge dann auf in den Norden des Landes, oder nach Deutschland und in andere Länder, um Arbeit zu suchen.
Nach einem Bildervortrag von Elisabeth Voß berichtete Bruno Watara von seinen Eindrücken, und verglich das Leben der Flüchtlinge in den kalabrischen Dörfern mit ihrem Schicksal hier in Deutschland. In der Region um Riace gibt es eine große Offenheit in der Bevölkerung, und auch einen Zusammenhalt zwischen den Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern. Demgegenüber hat sich die Situation in Deutschland seit vielen Jahren verändert. Seit die Politik Flüchtlinge nach Herkunftsländern unterschiedlich behandelt, und sie in erwünschte und unerwünschte Gruppen teilt, separieren sich diese immer stärker, und kümmern sich um ihre je eigenen Belange. Manche Flüchtlinge leben schon seit vielen Jahren – in einzelnen Fällen mehr als 10 oder 20 Jahren – in Lagern, vom Warten zermürbt, ohne Kontakte zu ihren Angehörigen.
Auch in der ostdeutschen Region um Kyritz und Neuruppin sind Flüchtlinge untergebracht. Ohne sicheren Status und Arbeitserlaubnis ist es schwierig für sie, Perspektiven zu entwickeln. Kinder und Jugendliche brauchen zuerst Schulbildung, für Ältere bereitet die Anerkennung beruflicher Abschlüsse aus dem Heimatland oft Probleme. Manche haben Schulden von der Flucht, und viele möchten sobald wie möglich Geld verdienen. In der Diskussion wurden viele Fragen angesprochen, die bei zukünftigen Veranstaltungen vertieft werden könnten. Zum Beispiel: Wie finden Betriebe, die Flüchtlinge einstellen möchten, genau diejenigen, die gerne in der ländlichen Region bleiben möchten? Wie können sowohl Möglichkeiten für bezahlte Arbeit geschaffen werden, als auch für gemeinschaftliche Selbstversorgung, zum Beispiel mit Interkulturellen Gärten oder Offenen Werkstätten? Wie können ländliche Regionen ihre Stärke gegenüber Großstädten – mehr Flächen und Gebäude zu bezahlbaren Preisen – nutzen, um sowohl für Flüchtlinge als auch für Menschen, die lieber außerhalb der Städte leben möchten, Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten? Zukünftig wäre eine stärkere Beteiligung von Flüchtlingen an solchen Diskussionen wichtig, um nicht über sie, sondern mit ihnen über gemeinsame Perspektiven zu sprechen.
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