Nachricht | Rosas Garten - eine Ausstellung zum Herbarium von Rosa Luxemburg

bis 29.9. im Haus der Naturpflege in Bad Freienwalde

„Vielleicht finden Sie schon in Thüringen etwas Blumen auf den Wiesen, obwohl in dieser Höhe die Vegetation sich wahrscheinlich verspätet. Am Genfer See gibt es schon zahllose Vergißmeinnicht, Veilchen und bald auch meine allerliebste Wiesenblume – Wiesenschaumkraut; Himmelsschlüssel nicht zu vergessen. Nächstes Jahr, wenn ich heil heraus bin, ist keine von diesen Genannten vor mir sicher. Inzwischen gebe ich Ihnen Vollmacht, an meiner statt die Wiesen zu plündern.“ (Brief an Mathilde Jacob, 30. März 1915)

„Vor zwei Jahren – das weißt Du gar nicht – hatte ich einen anderen Rappel: In Südende packte mich die Leidenschaft für Pflanzen; ich fing an zu sammeln, zu pressen und zu botanisieren. Vier Monate lang machte ich buchstäblich nichts anderes, als im Feld zu schlendern oder zu Hause zu ordnen und zu bestimmen, was ich von den Streifzügen mitbrachte. Jetzt besitze ich zwölf vollbepackte Pflanzenhefte und orientiere mich sehr gut in der ‚heimischen Flora‘, z.B. im hiesigen Lazaretthof, wo ein paar Sträucher und üppiges Unkraut zur Freude der Hühner und zu meiner gedeihen. So muß ich immer etwas haben, was mich mit Haut und Haar verschlingt, sowenig sich das für eine ernste Person ziemt, von der man – zu ihrem Pech – immer etwas Gescheites erwartet.“ (Brief an Luise Kautsky, 18. September 1915)

Beide Briefe hat Rosa Luxemburg im Frauengefängnis in der Barnimstraße in Berlin verfasst, wo sie vom Februar 1915 bis Februar 1916 inhaftiert war;
zit. nach: Rosa Luxemburg: Gesammelte Briefe, Bd. 5, Berlin 1984, S. 50 und 74f.


Rosa Luxemburg ist eine der interessantesten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, bekannt vor allem als brillante Rednerin, scharfsinnige Theoretikerin und Journalistin, als leidenschaftliche Briefeschreiberin, als entschiedene Kämpferin gegen Nationalismus und Militarismus, als vehemente Streiterin für eine von politischer Freiheit und sozialer Gleichheit geprägte Gesellschaft – und als Opfer einer reaktionären Freikorps-Soldateska, die ihr am 15. Januar 1919 brutal das Leben nahm.

Weniger bekannt ist, dass Rosa Luxemburg, 1871 in Zamość im russisch besetzten Teil Polens geboren und in Warschau aufgewachsen, unbedingt Botanik, Zoologie und Geologie studieren wollte und dafür nach dem Abitur 1890 nach Zürich ging. Dort war zur damaligen Zeit Frauen ein gleichberechtigtes Hochschulstu-dium nicht verwehrt. Die Bekanntschaft mit dem Marxisten Leo Jogiches jedoch schmiedete sie „für immer an die verfluchte Politik“. (Brief an Leo Jogiches, 20. Oktober 1905)

Ihr Engagement in der europäischen Arbeiter*innen-Bewegung und insbesondere gegen den Ersten Weltkrieg brachte ihr lange Gefängnisaufenthalte ein – die Jahre 1915 bis 1918 verbrachte sie fast ausnahmslos in Haft, im Frauengefängnis in der Barnimstraße Berlin, in der Festung Wronke oder im Strafgefängnis an der Breslauer Kletschkaustraße.

Vor allem in dieser Zeit arbeitete Rosa Luxemburg an ihrem 1913 begonnenen Herbarium, das in insgesamt 18 Schreibheften vollständig erhalten und nach einem abenteuerlichen Weg über die USA schließlich im Staatlichen Archiv Akt Nowych in Warschau inventarisiert worden ist. Es umfasst neben 370 unterschiedlichen Pflanzen auch ein Heft mit „Geologischen und botanischen Notizen“.

In dieser Ausstellung wird eine kleine Auswahl daraus vorgestellt, vom ersten Blatt mit verschiedenen Johannisbeersorten vom Mai 1913 bis zum letzten beschrifteten Eintrag des erkrankten Spitzahorns vom Oktober 1918.

An vielen Stellen wird der Studiencharakter des Herbariums, Rosa Luxemburgs Anspruch als exakte Wissenschaftlerin und ihre große Freude an diesem Tun deutlich: Sie fügte den aufgeklebten Pflanzenteilen ausführliche Beschreibungen hinzu, ergänzte fehlende Teile durch eigene Zeichnungen, nahm notwendig gewordene Korrekturen vor.

Fast alle Blätter enthalten neben den deutschen und lateinischen Bezeichnungen Angaben dazu, wann und wo Rosa Luxemburg die Pflanzen bei ihren Spaziergängen oder bei Freigängen im Gefängnis- oder Lazaretthof gefunden hat. Auch ihre langjährigen engen Freund*innen und Weggefährt*innen wie u.a. Mathilde Jacob, Sonja Liebknecht und Marta Rosenbaum oder ihr Anwalt Dr. Kurt Rosenfeld schickten ihr Blumen und Pflanzen. Auch findet sich ein Fund vom Grab ihres großen politischen Vorbilds Ferdinand Lassalle in den Heften.

Insbesondere in ihren Briefen schilderte Rosa Luxemburg immer wieder ihre Liebe zur Pflanzen- und Tierwelt – sicherlich auch eine Ausflucht in Zeiten tiefer politischer Krisen und aus der Isolation und der Tristheit des Gefängnis-alltags.

Allerdings: man würde Rosa Luxemburg nicht gerecht, sähe man darin ausschließlich das Persönliche, Private – und nicht auch zugleich einen integralen Bestandteil ihres komplexen Verständnisses einer neuen, allem Leben mit Sorgfalt begegnenden, demokratischen und sozialistischen Gesellschaft.


Eine Ausstellung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg, basierend auf dem 2016 im Karl Dietz Verlag Berlin erschienenen Buch „Rosa Luxemburg: Herbarium“, herausgegeben von Evelin Wittich, mit einer Einleitung sowie einer Auswahl von Briefen von Holger Politt.

Das Original des Herbariums von Rosa Luxemburgs befindet sich im Staatlichen Archiv Akt Nowych in Warschau.

Wir danken herzlich Dr. Holger Politt und Dr. Detlef Nakath für die freundliche Unterstützung bei der Realisierung der Ausstellung.


  • VERANSTALTUNGSORT
    Haus der Naturpflege Bad Freienwalde e.V.
    Dr.-Max-Kienitz-Weg 2
    16259 Bad Freienwalde (Oder)
  • KONTAKT
    Telefon: (03344) 35 82
    E-Mail: verein@haus-der-naturpflege.de
    www.haus-der-naturpflege.de/
  • ÖFFNUNGSZEITEN
    dienstags bis sonntags, 10 bis 17 Uhr

Im Karl Dietz Verlag Berlin sind erschienen:

  • Rosa Luxemburg: Herbarium,
    hrsg. von Evelin Wittich, mit einer Einleitung und einer Auswahl an Briefen von Holger Politt, Berlin: Karl Dietz Verlag 2016.
416 Seiten, ISBN 978-3-320-02325-6, 39,90 Euro
  • Postkartenset: 10 Motive aus Rosa Luxemburgs Herbarium

10,3x14,7 cm, ISBN 978-3-320-02326-3, 9,90 Euro.

www.dietzberlin.de