Nachricht | Zum Tod von Prof. Dr. Reinhard Brühl

Am 2. Juli verstarb eines der Gründungsmitglieder der Rosa-Luxemburg Stiftung Brandenburg e.V.

von Dr.sc. Lothar Schröter, Major a.D. (NVA)

Am 2. Juli 2018 legte Generalmajor a.D. (NVA) Prof. Dr. Reinhard Brühl sein Schreibgerät für immer aus der Hand. Das Leben eines untadeligen Offiziers des Friedens und eines hervorragenden Wissenschaftlers hat sich in seinem 94. Lebensjahr vollendet.

Reinhard Brühl vertrat die Friedenspolitik der DDR mit höchstem Engagement. Gemäß seinem Auftrag, seinem Gewissen, seinen Überzeugungen, mit wachem Verstand und mit ganzem Herzen. Sein Name steht wie kaum ein anderer für die Militärgeschichtswissenschaft der DDR. Die Wurzeln zu ergründen, die den Krieg nähren, und zu zeigen, wie Kriege gemacht werden – das war sein Lebensinhalt. Damit sich nie wiederhole, was er erleben musste, was Millionen Tod und Verderben gebracht hatte. Als Arbeiterkind am 23. August 1924 in Chemnitz geboren wurde ihm der Krieg zum Schlüsselerlebnis. Schon in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft setzte sich Brühl mit dem Geschehenen auseinander und suchte, andere für das Neue zu gewinnen. Er schloss sich dem Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) und dem Bund Deutscher Offiziere (BDO) an. Die Verwobenheit des Schlimmsten, was das 20. Jahrhundert hervorgebracht hatte, mit dem eigenen Schicksal produzierte bei Brühl schon sehr früh wissenschaftlichen Anspruch und verknüpfte diesen mit der Wahrnahme persönlicher Verantwortung. Damit gehörte Brühl zu jenen unmittelbar betroffenen Deutschen seiner Generation, die die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Völkermord gezogen haben, der in deutschem Namen verübt worden war. Das war nicht leicht und schon gar nicht selbstverständlich. Bis heute nicht, wie sich in Deutschland im Rechtspopulismus und Neofaschismus in beschämender Weise zeigt.

Von 1961 bis zu seiner Emeritierung 1989 war Brühl Direktor des Militärgeschichtlichen Instituts der DDR in Potsdam. Er war ein ebenso energischer und zielbewusster wie verständnisvoller Vorgesetzter. In bestem Ansehen bei seinen Kollegen im Hause, die für ihn in der Tat viel mehr Kollegen denn Unterstellte waren, geschätzt im Kreise der Historiker seines Landes, geachtet auf der internationalen Bühne seines Faches (in der Internationalen Kommission für Militärgeschichte [C.I.H.M.] war Brühl längere Zeit einer der sieben Vizepräsidenten), respektiert in der Führung der Nationalen Volksarmee verband Reinhard Brühl seinen Ethos als Wissenschaftler mit dem eines Streiters für den Frieden in Uniform. Das aber hieß nichts anderes, als in der Geschichte den Dingen auf den Grund zu gehen. Bereits in jungen Jahren lehrend, hieß es für ihn aber doch zunächst, noch manches Wissen anzuhäufen und in die Methodologie seiner Wissenschaft einzudringen. Renommierte Vertreter seines Genres, die selbst maßgeblich der Historiographie und auch der Militärhistoriographie der DDR das Gepräge gaben, waren Brühls Lehrer. Dazu zählten Ernst Engelberg und Heinz Helmert. Otto Korfes, ehemals Mitglied des NKFD, vermittelte ihm wertvolle Erfahrungen bei der Arbeit mit den Materialien des Reichsarchivs. Bald schon konnte sich Brühl so einer der größten Herausforderungen stellen, die die Historiographie zu bieten hat: der Geschichte der (Militär- bzw. Kriegs-) Geschichtsschreibung. Diese wählte man zum Thema seiner Dissertation, deren 1973 veröffentlichte Fassung bis in die Gegenwart Richtmarken setzt. Als Wissenschaftler vorbildlich, in der Leitung seines Hauses souverän, auf die Menschen zugehend – vom Wachsoldaten über die Küchenfrau, den Kraftfahrer und die Sekretärin bis hin zum gestandenen Historiker – gelang es ihm in den fast 30 Jahren, in allen Bereichen seines Instituts Kollektive zu formen. Natürlich nicht konfliktfrei und auch nicht so, dass etwa alles Wünschenswerte in Erfüllung ging, blieb das Militärgeschichtliche Institut der DDR, auch noch 1989/90, eine Gemeinschaft, gebildet von vielen durchaus unterschiedlichen Menschen.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst blieb Reinhard Brühl weiterhin aktiv. Dies um so mehr, als sich nach der so genannten Wende die Angriffe auf sein und das Lebenswerk von Millionen Menschen häuften. Dies veranlasste ihn gerade auch dazu, mit ganzer Kraft die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg mit vorzubereiten. Folgerichtig wurde er 1991 zu einem ihrer Gründungsmitglieder. Er hielt ihr bis zum Schluss die Treue, nachdem er sich, so lange ihm das seine physischen Kräfte erlaubten, vielfältig in ihre Arbeit einbrachte.

Auf dem Ehrenkolloquium zum 80. Geburtstag von Reinhard Brühl äußerte sein verehrter Kollege Kurt Finker den Wunsch, der Jubilar möge seine Autobiographie zu Papier bringen. In seiner Bescheidenheit wehrte der sich lange dagegen. Dann aber überwand er sich doch; der sanfte Druck guter Freunde trug dazu bei. Seit Anfang 2018 liegt die Lebensbeschreibung nun unter dem Titel „Die Hoffnung bleibt. Erinnerungen eines Militärhistorikers“ vor. Zum Nutzen und zur Freude aller, die Reinhard Brühl kannten und schätzten, aber auch weit über diesen Kreis hinaus. Mit seinem Wirken und seinen Schriften, gerade auch mit der letzten, hat sich Reinhard Brühl ein bleibendes Denkmal gesetzt. Mit all dem und mit seiner ganzen Persönlichkeit wird er in Erinnerung bleiben.