Die zweitägige Tagung beleuchtete in einem Auftaktpodium sowie in zehn Arbeits- und Diskussionskreisen die Hintergründe des Entstehens und ganz unterschiedliche Aspekte einer eigenständigen antifaschistischen Bewegung in der DDR, deren spezifisches Profil angesichts von Generationsbrüchen, wechselnden Strömungen und einer dominierenden West-Perspektive nach 1989/90 in Vergessenheit geraten war.
Unter dem Titel „Warnung Neonazis in der DDR – Hintergründe antifaschistischen Engagements Ende der 1980er“ befasste sich die Podiumsdiskussion am Beginn der Tagung mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen und Ereignissen, die ab 1987 zur Herausbildung erster unabhängiger Antifa-Gruppen in der DDR geführt haben. Die Referent*innen Angelika Nguyen (Filmwissenschaftlerin und Autorin), David Begrich (Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperte), Dr. Annette Leo (Historikerin und Publizistin) und Dietmar Wolf (freier Autor) führten zunächst in die Ursachen und Erscheinungsformen von Rassismus, Antisemitismus und neonazistischer Gewalt in der DDR ein, so dass dann damalige Aktivist*innen mit ihren eigenen Erfahrungen und Erinnerungen daran anknüpfen konnten. Ein historisches Filmintro von Ende der 1980er Jahre und diverse Wortbeiträge aus dem Publikum boten zudem weitere Perspektiven auf verschiedene Aspekte, insbesondere zur Antifa Potsdam und Berlin oder zu Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus in der DDR. Mit 100 Teilnehmenden war das Interesse an der Auftaktveranstaltung weit größer als erwartet.
Gleiches gilt für die zehn Arbeits- und Diskussionskreise am Samstag, an denen ca. 200 Personen teilnahmen. Mit unterschiedlichen Formaten thematisierten sie folgende Aspekte: Nazis aus dem Plattenbau?; Subkultur, Politisierung und Freiräume; Antifaschistische Praxis in den Fanszenen; Kontinuitäten und Brüche des Aktivismus; Militanz & Repression; Antifa und feministische Kämpfe; Ob Ost! Ob West! Gemeinsam gegen die Nazipest?; Antifa heißt Angriff; Geschichte wird gemacht ... Erinnern und Gedenken als politische Praxis; Von Lichtenhagen bis Heidenau. Wie am Freitag wurden auch hier immer wieder Fragen nach Ähnlichkeit/Unterschiedlichkeit der eigenen Ost-Lebenswelt zu denen anderer Antifa-Aktivist*innen aus dem Osten, nach Schlussfolgerungen aus der Beschäftigung mit der Ost-Antifa für die eigene Praxis und nach der Relevanz einer Ost-West-Differenz für die eigene politische Arbeit aufgeworfen.
Parallel zu den Workshops wurde am Samstag auch das Ausstellungsprojekt „Die verschwiegenen Toten. Opfer rechter Gewalt seit 1990 in Leipzig“ der Leipziger Initiative „Rassismus tötet!“ präsentiert, die sich für die offizielle Anerkennung der Toten als „Opfer rechter Gewalt“ einsetzt. Und es bestand die Möglichkeit, eigenes Material wie Flugblätter, Plakate oder Fotos vorzustellen. Ein Come Together zu Beginn und zum Ende der Tagung gab es außerdem.
Ausgehend vom im Mai 2017 erschienenen Sammelband „30 Jahre Antifa in Ostdeutschland – Perspektiven auf eine eigenständige Bewegung“ wurde durch die vielfältigen Beteiligungsformen wirklich ein Austausch von politisch Engagierten, kritischen Wissenschaftler*innen und Zeitzeug*innen über persönliche und politische Erfahrungen, Entwicklungen und Probleme ermöglicht, verblasstes Wissen erinnert, weitergeben und in die heutige Zeit übertragen.
Dokumentation 30 Jahre Antifa in Ostdeutschland
Tagung des Vorbereitungskreises „30 Jahre Antifa in Ostdeutschland“ mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg am 1./2. Dezember 2017 in Potsdam